Am Donnerstag, den 27. Februar 2025, verstarb der 10. Schachweltmeister Boris Wassiljewitsch Spasski. Seinen Namen kennt auch der, wer im Kalten Krieg aufgewachsen ist und nicht sonderlich Interesse an Schach hatte. Sein Name -und auch sein Schicksal- ist mit Bobby Fischer, seinem Nachfolger auf dem Thron, eng verbunden. Er wurde 88 Jahre alt.

Spasski galt nicht als der typische sowjetische Apparatschik, wie man es später auf Karpow mühelos anwenden konnte. Er war auch außerhalb der Sowjetunion äußerst populär und hoch angesehen, was für ihn deshalb von Vorteil war, weil er nach der Niederlage gegen Bobby Fischer im Jahr 1972 und seiner Rückkehr in die Heimat mit dem Schlimmsten rechnen musste.

So konnte Spasski auch weiter ins Ausland reisen, da er Einladungen zu verschiedensten, auch hochdotierten Events vorliegen hatte. Seine Reise führte ihn dabei auch im Juni 1973 nach Frankfurt, in das heute noch existierende Haus Dornbusch an der Eschersheimer Landstraße.

Nur ein Steinwurf entfernt davon ist Dieter Post aufgewachsen, doch als Spasski auf Einladung der Schachfreunde Frankfurt und möglicher Weise auch im Zusammenhang mit Walter Jägers sechzigsten Geburtstag zu einem Simultan antrat, war er schon in Oberursel beheimatet (worden:-).

Spasski wurde begleitet von Paul Keres, einer weiteren Schachlegende, und beide spielten an je 30 Brettern, und soweit erkennbar stets mit Weiß. Mit dabei von der damaligen Schachabteilung des KSV Klein-Karben waren die jugendlichen Gernold Strobl und Günther Kuban, die 1973 einiges aus ihren Verlustpartien gegen Boris Spasski lernen konnten. Die Nr. 1 in Karben war Wolfgang Merle, der gegen sein Idol Paul Keres antrat. Merle war nicht nur Abteilungsleiter beim KSV sondern später auch Vorsitzender des Bezirks 5 (Frankfurt) und nach seinem Umzug 1. Vorsitzender des SK Bad Homburg.

Hier ein Blick in den gut gefüllten Dornbusch-Saal:

Der ehemalige Weltmeister spazierte an den eng gestellten Brettern mit einer gewissen tänzerischen Gelassenheit entlang. In zyklischen Abständen bewegte sich die rechte Hand nach vorne, ohne den Schrittrhythmus zu verändern, und führte en passant den Zug aus. Sehr konzentriert, sehr cool, und auch durchaus sportlich elegant gekleidet. Ein Gentleman eben, und somit nicht nur durch sein Verhalten am oder neben dem Brett.

Unter den 30 Teilnehmern waren ernstzunehmende Gegner, doch nur ein -zudem unbekannter- Spieler der Gastgeber namens Borsch (oder Borsche) gewann seine Partie gegen Spasski. Sieben schafften immerhin Remis, darunter Peter Gmeiner (damals noch Gelnhausen), Dr. Zunker (Hofheim), Maeder (Königsspringer(!)) und auch Horst Müller (Offenbach). Hier ein Blick auf einen „Arbeitsplatz“, wobei man am Partieformular die Herkunft der Schachfreunde erkennen kann:

Maeder war zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal hintereinander Frankfurter Stadtmeister gewesen, 1969 gar der erste Jugend-Europameister, spielte beim führenden Frankfurter Klub „Königsspringer“ um die deutsche Meisterschaft. Das Bild zeigt ihn am Brett in Groningen bei der Jugend- Europameisterschaft bei seinem überraschenden Sieg gegen Rafael Vaganian. So in etwa dürfte er sich auch Spasski präsentiert haben.

Auf diesem Bild sieht man einen Spieler im hellen Hemd, den Kopf nach vorne geneigt…ich meine ein typischer Horst Müller.

Links neben ihm sitzend, mit Brille und der Hand am Mund…ein ebenso typischer Karl Heinz Maeder.

Ein schönes Zeitdokument!

In meinem Archiv über die Frankfurter Stadtmeisterschaften und auch deren Sieger habe ich aus diesem Simultan die Partie Maeders mit der Unterschrift von Spasski vorliegen.

Er war zu diesem Zeitpunkt nahe dran am IM-Titel. In der Eröffnung spielt Maeder aggressiv, und Spasski opfert relativ früh einen Springer:

In der Frankfurter Neuen Presse erschien am 12. Juni 1973 ein umfangreicher Bericht zu dieser Veranstaltung, ihm ist zu entnehmen, dass die „beiden Russen“ jeder ca 750 Mark als Gage erhalten haben, und je Teilnehmer 25 Mark als Startgeld zu zahlen waren.

Die Simultans begannen gegen 15 Uhr und waren gegen 19.40 Uhr beendet. Der große Festsaal im Haus Dornbusch war nur unzureichend klimatisiert/belüftet und es herrschten drückend schwüle Temperaturen.

Laut der Schätzung des berichtenden Lokalreporters Jochen Truby waren drei- bis vierhundert Zuschauer anwesend.

Paul Keres war 20 Jahre älter als Spasski und starb bereits ziemlich genau 2 Jahre nach diesem Simultan in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Er wurde nur 59 Jahre alt.

Von hdp